DIN EN ISO 15614-1: Schweißverfahrensprüfung

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Die DIN EN ISO 15614-1 „Anforderung und Qualifizierung von Schweißverfahren für metallische Werkstoffe – Schweißverfahrensprüfung – Teil 1: Lichtbogen- und Gasschweißen von Stählen und Lichtbogenschweißen von Nickel und Nickellegierungen“ stellt eines der fünf möglichen Verfahren zur Qualifizierung einer vorläufigen Schweißanweisung (pWPS) dar. In vielen Regelwerken wird diese Norm als Qualifizierungsgrundlage herangezogen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie in dem Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.

Schweißverfahrensprüfung ist aufwendig

Die Qualifizierung einer pWPS durch eine Schweißverfahrensprüfung ist das aufwendigste Verfahren und sollte auch aus Kostengründen nur gewählt werden, wenn das Anwendungsregelwerk oder die Liefervereinbarung bzw. der Werkstoff oder der Mechanisierungsgrad des Schweißverfahrens die Anwendung einer Schweißverfahrensprüfung nach DIN EN ISO 15614-1 erforderlich machen.

Anforderungen in zwei Stufen

Die Stufe 1 enthält Basisanforderungen für eine Schweißverfahrensprüfung und beruht bezüglich des geforderten Prüfumfangs auf ASME-Vorschriften wie ASME Section IX. Verbindlich sind Prüfungen wie

  • die Sichtprüfung,
  • der Querzugversuch und
  • die Querbiegeprüfung.

Weitere Prüfungen sind optional und können je nach Anwendungsregelwerk (Produktnorm) ergänzend hinzugefügt werden.

Stufe 2 fordert den bisherigen und unveränderten Prüfumfang aus ISO 15614-1 mit

  • Sichtprüfung,
  • Durchstrahlungsprüfung,
  • Oberflächenrissprüfung,
  • Querzugversuch,
  • Querbiegeprüfung,
  • Kerbschlagbiegeprüfung,
  • Härteprüfung sowie
  • Makroschliffuntersuchung.

Sie würde damit die Anforderungen aus den harmonisierten europäischen Normen im Bereich der Druckgeräterichtlinie erfüllen.

In der Norm ist klar geregelt, dass Verfahrensprüfungen durchgeführt auf Basis von Level 2 automatisch die Anforderungen der Stufe 1 erfüllen. Sollte in dem Anwendungsregelwerk oder in einer Spezifikation nicht geregelt sein, welche Stufe bei der Verfahrensprüfung zu erfüllen ist, gilt, dass stets die Anforderungen von Level 2 zu erfüllen sind.

Härteanforderung für die Werkstoffgruppen 4 und 5

In der Tabelle 3 für die höchstzulässigen Härtewerte wurden die Werte für Werkstoffgruppe 4 und 5 von 320 HV10 auf 380 HV10 heraufgesetzt. Die Fußnote c erlaubt auch höhere Härtewerte sowohl für den ungeglühten als auch für den wärmenachbehandelten Zustand, wenn diese vor der Schweißverfahrensprüfung spezifiziert wurden.


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Geltungsbereichs der Werkstoffgruppen für Stahl und für Nickel

Die Tabelle 5 für Stahlgruppen und deren Untergruppen wurde gegenüber der Tabelle in der Vorgängerausgabe in Form einer Matrix abgebildet. Die vermeintliche „großzügige“ Abdeckung einer Verfahrensprüfung setzt aber die Verwendung des gleichen Schweißzusatzes und der gleichen Parameter für die miterfassten Werkstoffe voraus, einschließlich einer eventuell folgenden Wärmenachbehandlung bei gleichen Glühparametern. Diese Gruppenabdeckung dürfte aber nur in wenigen Fällen dann auch zutreffen.

Die Tabelle 6 für Nickel und Nickellegierungen wurde um die Mischverbindungen von Nickel und Nickellegierungen gegen Stahl erweitert. Hier gilt das Gleiche, wie oben für Stahl ausgeführt.

Zulässigkeitsgrenzen für Unregelmäßigkeiten

Im Rahmen der Erarbeitung des Zweistufenmodells konnte man sich nicht auf eine stufenübergreifende einheitliche Bewertung von Unregelmäßigkeiten einigen. Daraus ergab sich die neue Tabelle 4. Stufe 1 bezieht sich dabei leider nicht auf die ISO 5817, sondern beschreibt eigene Zulässigkeiten. Stufe 2 folgt weiterhin der Zuordnung nach Bewertungsgruppen. Hier wird das Merkmal 1.7 (Einbrandkerbe) jetzt C statt B (h < 0,1 × t, max. 0,5 mm) und das Merkmal 1.9 (zu große Nahtüberhöhung) jetzt C statt B (h < 1 mm + 0,1 × b, max. 7 mm) bewertet.

Änderungen gegenüber der Vorgängerversion

Nachstehend werden noch einige Hinweise auf weitere Veränderungen der Norm gegeben.

Anwendungsbereich

Zu beachten ist aufgrund der neuen Zweistufigkeit der Norm, dass Schweißverfahrensprüfungen, die auf Stufe 2 durchgeführt werden, automatisch für Stufe 1 qualifiziert sind, jedoch nicht umgekehrt. Falls in einem Auftrag oder einer Anwendungsnorm keine Stufe festgelegt ist, gelten automatisch die Anforderungen von Stufe 2.

Schweißen der Prüfstücke

„Das Schweißen und Prüfen der Prüfstücke muss vom Prüfer oder einer Prüfstelle verifiziert werden.“

Dies setzt nicht mehr zwingend voraus, dass der Prüfer bzw. die Prüfstelle während des Schweißens und Prüfens „ständig“ präsent sein muss. Es ist seine Entscheidung, wie er die Bestätigung „wahr“ oder „nicht wahr“ (verifiziert) durchführt.

Untersuchung und Prüfung

Die Härteprüfung ist ebenfalls nicht erforderlich bei Mischverbindungen zwischen Werkstoffgruppe 8 und Werkstoffgruppe 41 bis 48. Ein Verzicht auf die Durchführung der Härteprüfung (wenn auch technischer Unsinn) führt aber zu Einschränkungen hinsichtlich der Wärmeeinbringung im Geltungsbereich.

Zerstörungsfreie Prüfungen

Es wird nicht mehr die gesamte Schweißnahtlänge durch zerstörungsfreie Prüfungen erfasst; bei den Prüfstücken Stumpfstoß am Blech und T-Stoß darf der Abfall von jeweils 25 mm Länge am Anfang und am Ende für die zerstörungsfreien Prüfungen (zfP) nicht berücksichtigt werden.

Kerbschlagbiegeprüfung

Bei einer Kerbschlagbiegeprüfung lässt die ISO 148 zwei unterschiedliche Radien der Hammerfinne zu. Wichtig ist zu beachten, dass bei Verfahrensprüfungen immer ein Hammer mit Radius 2 mm verwendet wird.

In diesem Abschnitt wurde auch deutlicher herausgearbeitet, wie Prozesskombinationen und Verwendung von unterschiedlichen Umhüllungen bei Lichtbogenhandschweißungen bzw. unterschiedliche Pulvertypen beim UP-Schweißen zu untersuchen sind. Der letzte Absatz lautet dazu:

„Falls mehr als ein Schweißverfahren oder mehr als eine Art der Umhüllung und des Schweißpulvers in einem Prüfstück qualifiziert werden, müssen die Kerbschlagbiegeproben aus dem Schweißgut und der WEZ so entnommen werden, dass jedes Schweißverfahren und jede Art der Umhüllung und des Schweißpulvers erfasst werden.“

Härteprüfung

„Falls mehr als ein Schweißverfahren verwendet wird, ist jedes Schweißverfahren mit mindestens einer Eindruckreihe zu prüfen.“

Ersatzprüfung

Wenn z.B. bei der Volumenprüfung sich unzulässige Unregelmäßigkeiten zeigen, die normalerweise zum Nichtbestehen der Verfahrensprüfung führen würden, kann diese Fehlstelle nun weiter untersucht werden, ohne ein neues Prüfstück unter gleichen Bedingungen direkt schweißen zu müssen. Entscheidend ist aber, dass dieser Mangel auf den Schweißer zurückzuführen und kein systematischer prozessbedingter Fehler ist:

„Wenn sich herausstellt, dass die Hauptursache des Mangels nicht verfahrensbedingt ist, sondern mit unzureichender Fähigkeit des Schweißers zusammenhängt, wird kein weiteres Prüfstück benötigt und dem Bericht muss ein Nachweis beigefügt werden.“

Gruppeneinteilung der Werkstoffe

Der Grundgedanke auch bei dieser Norm ist, die Anzahl von erforderlichen Schweißverfahrensprüfungen so gering wie notwendig zu halten. Daher wurden die Werkstoffe verschiedenen Werkstoffgruppen bzw. Werkstoffuntergruppen zugeordnet. Die Basis für diese Zuordnung bildet ISO/TR 15608. Für europäische, amerikanische und japanische Stähle gibt es entsprechende ISO/TRs, die die verschiedenen Werkstoffe diesen Werkstoffgruppen zuordnen.

Bei Werkstoffen, die nach ISO/TR 20172, ISO/TR 20173 oder ISO/TR 20174 eingruppiert sind, müssen diese Gruppierungen ohne weitere Prüfung verwendet werden.

Für jeden Grundwerkstoff oder jede Grundwerkstoffkombination, die nicht in der Gruppeneinteilung nach ISO/TR 20172, ISO/TR 20173, ISO/TR 20174 oder ISO/TR 15608 enthalten ist, sind separate Qualifizierungen der Schweißverfahren erforderlich. Es gilt dann nur der in der Schweißverfahrensprüfung genutzte Werkstoff als qualifiziert.

Stoßart/Nahtart

Auftragschweißungen (nicht aber im Sinne von DIN EN ISO 15617-7, z.B. Plattierungen, Hartauftragungen) sind durch Stumpfnähte qualifiziert.

Stumpfnähte qualifizieren auch Kehlnähte (Stufe 2 Wickel a). Jedoch können Kehlnahtprüfungen gefordert werden (z.B. durch Anwendungsnormen), wenn Kehlnähte die vorherrschende Art von Schweißverbindungen bezogen auf Konstruktion bzw. Produktion sind.

Zusatzwerkstoff, Hersteller/Firmenname, Bezeichnung

Bislang war der Geltungsbereich einer Schweißverfahrensprüfung fest verbunden mit dem Markennamen und damit dem Hersteller des Schweißzusatzes. In Deutschland gibt es viele Hersteller. Lieferengpässe könnten somit dazu führen, dass eine Schweißverfahrensprüfung mit einem Zusatz eines anderen Herstellers zu wiederholen wäre, weil man eben diesen anderen Zusatz aus Beschaffungsengpässen heraus zu verwenden genötigt ist.

Die Norm erlaubt bei gleicher verbindlicher Bezeichnung einer umhüllten Stabelektrode den Wechsel auf einen anderen Markennamen, solange die Anforderungen an die Kerbschlagarbeit nicht tiefer sind als –20 °C. Bei Anforderungen an die Kerbschlagarbeit unterhalb von –20 °C ist ein Wechsel zu einem anderen Hersteller ohne zusätzliche Erprobung nicht zulässig.

Wärmeeinbringung (Lichtbogenenergie)

Dieser Abschnitt greift beide Methoden der Berechnung der Wärmeeinbringung bzw. der Lichtbogenenergie auf. Einen Korrekturfaktor bezogen auf den Schweißprozess, wie er aus DIN EN 1011-1 (alte Fassung von DIN EN ISO 15614-1:2012) bekannt ist, gibt es hier nicht.

Alternativ kann auch die Wärmeeinbringung herangezogen werden. Die Berechnung erfolgt nach ISO/TR 17671-1 (identisch mit DIN EN 1011-1) mit den prozessbezogenen Korrekturfaktoren (k = 0,8 für E, MSG; k = 0,6 für WIG).

Entscheidend ist, dass im Verfahrensprüfbericht sauber angegeben wird, nach welcher Methode die Aufnahme erfolgt ist, um eine Überprüfung während des Schweißens nach der gleichen Methode anzuwenden!

Wichtig ist bei Stufe 2, dass von diesen ermittelten Werten für die Lichtbogenenergie bzw. die Wärmeeinbringung bei Anforderungen an die Kerbschlagarbeit um 25 % nach oben und bei Anforderungen an die Härte um 25 % nach unten abgewichen werden darf.

Vorwärmtemperatur

Im Geltungsbereich darf die Vorwärmtemperatur um bis zu 50 °C abgesenkt werden, ohne das Verfahren neu qualifizieren zu müssen.

Zwischenlagentemperatur

Im Geltungsbereich darf die Zwischenlagentemperatur um bis zu 50 °C erhöht werden, ohne das Verfahren neu qualifizieren zu müssen. Ausnahme bilden die Werkstoffgruppen 8, 10 und 41 bis 48.

Ziel: Weltweit anwendbare Norm für Schweißverfahrensprüfungen

Das Ziel war, eine weltweit anwendbare Norm für Schweißverfahrensprüfungen verfügbar zu haben. Jedoch sollte die Euphorie über eine nun weltweit (und damit auch im ASME-Bereich) zu nutzende Verfahrensprüfung nicht zu groß sein. Dazu müsste ISO 15614-1:2017 auch in den ASME-Codes als gleichwertiges Regelwerk zitiert werden. Ferner ist zu beachten, wer die Prüfstelle für die Verfahrensprüfungen ist. Bei ASME ist es stets der Hersteller, bei Anwendung der Verfahrensprüfung unter der europäischen Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU ist es die notifizierte Stelle.

Die deutsche Neuausgabe aus dem Jahr 2020 stellt somit keine Änderung der Ausgabe von 2017 dar; es wurde lediglich die beschlossene Änderung A1 von ISO in dieser Ausgabe umgesetzt. Aus Sicht des Autors ist ein Hersteller trotzdem gut beraten, die Stromquelle hinsichtlich ihrer Steuerungstechnik gezielt zu betrachten und unabhängig von dieser Norm separat zu qualifizieren und daraus eine geeignete Schweißanweisung (WPS) für die Fertigung zu erstellen.

Autor: Dipl.-Ing. Jochen Mußmann
Jochen Mußmann verfügt durch über 20 Jahre Tätigkeit im Stahlbau, Anlagen- und Rohrleitungsbau und in der Kerntechnik als verantwortlicher Schweißfachingenieur über umfassende Erfahrung in der Verarbeitung (Schweißen, Wärmebehandlung, Prüfen) aller gängigen Stahlqualitäten. Als langjähriger Qualitätsmanagement-Beauftragter und Auditor bringt er umfassende Kenntnisse in der Erstellung und Umsetzung von QM-Systemen mit.

Den kompletten Beitrag finden Sie in dem Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“